Schematherapie
Neue Wege Finden
Die Schematherapie gehört zu den Verfahren der Dritten Welle der Verhaltenstherapie. Sie ist ein Therapieverfahren, welches Methoden aus verschiedenen Therapieschulen zusammengeführt hat.
Schemata entstehen oft in der frühen Kindheit, wenn Grundbedürfnisse des Heranwachsenden, wie etwa Orientierung und Kontrolle, Unlustvermeidung, sichere, stabile Bindungen, Selbstwerterhöhung und -schutz, nicht befriedigt werden.
Schemata entstehen bei allen Menschen und sind in der Regel hilfreich, die Welt besser zu verstehen und einzuordnen, so dass sie einer befriedigenden Lebensführung und der Erreichung persönlicher Lebensziele nicht im Wege stehen. Sind die Schemata jedoch irrational und unflexibel, behindern sie uns und können zu massiven psychischen Belastungen führen.
Fallbeispiel
Die 38-jährige Frau A., deren Vater die Familie verließ, als sie 5 Jahre alt war. Die allein erziehende Mutter war häufig überfordert und hat ihre Tochter in ein Heim abgegeben. Sie versprach ihr, sie in einigen Wochen wieder abzuholen. Kurze Zeit später hatte die Mutter einen neuen Partner, der eigene Kinder haben wollte und die Rückführung verhinderte. Die Tochter wurde immer wieder vertröstet und verbrachte einige Jahre im Heim. Erst im Alter von 12 Jahren kam sie zur Mutter zurück, nachdem ihre Beziehung erneut gescheitert war. Sie hatte nun einen 6-jährigen Halbbruder. Die Mutter hatte in der Zwischenzeit eine Alkoholabhängigkeit entwickelt, woraufhin das Mädchen durch eine Intervention des Jugendamtes erneut in einem Heim untergebracht werden musste. Ihr leiblicher Vater war nach Thailand ausgewandert, bis zum heutigen Tag hatte sie nie wieder etwas von ihm gehört.
Das Grundbedürfnis des Menschen nach sicherer Bindung ist als zentral für unsere Entwicklung anzusehen. Wichtige Bezugspersonen sollen sicher und konstant erreichbar sein und zuverlässig und liebevoll für das Kind sorgen, damit es ungestört die Umwelt entdecken und sich sicher entfalten kann.
In der Kindheit von Frau A. fand eine schwerwiegende Frustration dieses Grundbedürfnisses statt. Dies führt in ihrem Fall zu der Entwicklung des Schemas ‚Verlassenheit‘. Frau A. hat große Angst vor dem Verlassen werden. Sie geht davon aus, dass wichtige Bezugspersonen sie früher oder später ohnehin verlassen werden und lebt somit in ständiger Verlustangst. Sie ist sehr verzweifelt als sich ihr Partner von ihr trennt und sie tatsächlich einen Verlust erlebt.
Wenn die Art und Weise, mit dem Schema umzugehen, einen Menschen daran hindert, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen, seine Ziele zu erreichen und seine Bedürfnisse zu erfüllen, spricht die Schematherapie von ‚Lebensfallen‘.
In der Schematherapie unterscheidet man verschiedene (dysfunktionale) Bewältigungs-Modi, den negativen Gefühlen zu begegnen: Sich-Fügen (Ergeben), Vermeidung (Flucht) und Überkompensation (Gegenangriff). Oft überwiegt im Einzelfall eine dieser drei Strategien, sie können aber auch alle eine Rolle spielen.
Wenn Frau A. sich ihrem Schema fügen würde, so könnte sie zum Beispiel, Beziehungen mit Partnern eingehen, die Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit nicht bieten können (z.B. mit verheirateten Männern).
Würde Frau A. ihr Schema vermeiden, würde sie evtl. keine Beziehungen eingehen, regelmäßig zu viel Alkohol trinken oder andere Drogen konsumieren, oder sich in die Arbeit stürzen. Ziel wäre es dann negative Gefühle der Verlassenheit zu vermeiden, v.a. wenn sie alleine ist.
Im Falle der Überkompensation würde Frau A. selber Instabilität in die Beziehung bringen, ihre Partner möglicherweise betrügen oder verlassen, bevor sie selbst verlassen oder betrogen wird.
Die verschiedenen Bewältigungsschemata können einzeln oder parallel aktiv sein und sind unbewusste, automatisch ablaufende Prozesse, die wir nicht rational lenken können. Die Schematherapie spricht hier von sog. Modi, zwischen denen ein Mensch manchmal sehr schnell hin- und herwechselt.
Unter Rückgriff auf nicht erfüllte Grundbedürfnisse in der Kindheit, werden 4 verschiedene Kind-Modi beschrieben, in die der Erwachsene ‚zurückverfallen‘ kann.
- Verletzbares Kind (verlassenes, zurückgewiesenes Kind)
- Wütendes Kind (verärgertes Kind, weil Bedürfnisse nicht erfüllt wurden)
- Impulsives Kind (handelt ohne Konsequenzen zu bedenken)
- Glückliches Kind
In Reaktion auf dysfunktionale Kind-Modi kennt die Schematherapie die Eltern-Modi. Der ‚fordernde Elternmodus‘ präsentiert sich in strikten und hohen Leistungsanforderungen, der ‚strafende Elternmodus‘ in erbarmungslosen Selbstabwertungen.
In der Schematherapie wird daher vor allem ein besonderes Augenmerk auf die zentralen Botschaften der wichtigsten Bezugspersonen, welches oft die Eltern sind, geworfen.
Kurzfristig-Langfristig-Dilemma
Alle genannten Bewältigungs-Modi sollen schmerzhafte Gefühle von uns fernhalten. Sie laufen automatisch und unbewusst ab, oft bemerken wir nicht einmal dass ein Modus gerade aktiv ist. Langfristig können Bewältigungs-Modi neben ihrer Schutzfunktion auch hohes Leid und Unzufriedenheit verursachen, beispielsweise indem sie uns behindern, stabile Beziehungen zu führen.
Die Schematherapie kann Ihnen helfen, eigene ungünstige Schemata zu verstehen und sich langsam von ihnen zu befreien. Persönliche Lebensziele und Wünsche, die blockiert waren, können dann zur Entfaltung kommen.
Die Schematherapie kann phasenweise sehr unbequem und schmerzhaft sein, liefert jedoch langfristig wertvolle Weichenstellungen als Basis für ein erfüllteres und glücklicheres Leben. Sie werden darin unterstützt, freier, flexibler und großzügiger mit sich selbst und ihren Mitmenschen umzugehen und ihre persönlichen Wünsche und Ziele befreit von hinderlichen Schemata umzusetzen.